Einstieg in die Industrie 4.0
Wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Instandhaltung gelingt
Die Begriffe Industrie 4.0, Machine Learning und Predictive Maintenance sind Schlagwörter, die seit einigen Jahren in aller Munde zu liegen scheinen. Mit dem Aufbau des 5G-Netzes und dem Internet-of-Things (IoT) bieten sich auch den Unternehmen in Deutschland branchenübergreifend mittlerweile eine Vielzahl von technischen Anwendungsmöglichkeiten. Doch was genau davon ist sinnvoll? Und was bedeuten diese Entscheidungen zur Digitalisierung für Ihr Unternehmen? Wir möchten etwas Licht ins Dunkel bringen und aufzeigen, wie der Einstieg in die Industrie 4.0 mittels Künstlicher Intelligenz (KI) gelingt.
Am Anfang steht das Data Mining: Wie Datenanalysten die Grundlage für den Einstieg in die Industrie 4.0 schaffen
Damit die Digitalisierung im Unternehmen erfolgreich wird, ist die Erfassung von Daten eine Notwendigkeit. Datenanalysten entwickeln im Rahmen von Big Data Algorithmen und Modelle, mit denen sich die gewonnenen Daten im Unternehmen interpretieren lassen. Die KI kann nun in die Prozesse eingebunden werden und auf Grundlage der entworfenen Algorithmen eigenständig Entscheidungen treffen. Der Nutzen ist enorm. KI bietet nämlich die Möglichkeit, Prozesse stärker zu automatisieren. Unternehmen steigern dadurch langfristig die Produktivität und sorgen dafür, dass Prozesse effizienter und reibungsloser gestaltet werden können. Auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Stakeholder lässt sich durch die Digitalisierung auf eine neue Stufe stellen. Die Finanz- und Versicherungswirtschaft ist hier zweifellos als Vorreiter zu nennen, wenn es um den Einsatz von Digitaltechnologien geht. Den größten Nutzen bietet die Künstliche Intelligenz jedoch in der Industrie. Die sogenannte „Smart Factory“ eröffnet Unternehmen zahlreiche Chancen, Produktions- und Geschäftsprozesse schlanker, effizienter und sicherer zu gestalten. Im Fokus der Industrie 4.0 stehen vor allem Anwendungsfelder, deren Erschließung bisher nicht möglich war oder an die man bisher gar nicht denken konnte. Der Einsatz von KI in der Smart Factory geht also weit über den Einsatz von Roboterapplikationen hinaus und erzeugt für die Unternehmen einen realen Mehrwert. Denn viele Lösungen der Zukunft sind erst mit dem Einsatz einer KI in der Produktion überhaupt realisierbar. Die KI ermöglicht es, die enormen Datenmengen in Echtzeit auszuwerten und angepasst an den Produktionsprozess eigenständig Entscheidungen zu treffen und zu vollziehen. Diese Systeme können wiederum Subsysteme überwachen, die ihrerseits Aufgabenbereiche auf Basis von KI und Machine Learning organisieren.
Die Faszination des Machine Learnings: Wie die KI eigenständig Wissen erweitert
Das Machine Learning ist mittlerweile ein alltäglicher Bestandteil vieler Anwendungen, die wir im Alltag nutzen. Dienste wie Amazon oder Netflix nutzen das Machine Learning, um uns auf der Grundlage vergangener Kaufentscheidungen noch bessere (und treffsichere) Angebote für die Zukunft machen zu können – mit der Vorhersage einer hohen statistischen Wahrscheinlichkeit, dass wir diese Angebote tatsächlich kaufen werden (oder zumindest interessant finden). Das Machine Learning in der Industrie 4.0 basiert auf demselben Prinzip. Auch hier wertet die KI bisherige Entscheidungen aufgrund der Datenlage aus, um das gewonnene Wissen anschließend zu interpretieren. Tritt nun ein Problem auf, ist die Software in der Lage dieses selbstständig zu lösen. Die Künstliche Intelligenz nutzt die Datenanalyse, um bestimmte Gesetzmäßigkeiten oder Auffälligkeiten in den gelieferten Parametern zu erkennen und daraus Rückschlüsse zu ziehen. Diese Informationen „merkt“ sich das System und ist nun befähigt, Vorhersagen für die Zukunft zu treffen. Das System ist erfolgreich, weil dieser Lernprozess niemals endet. Mit jeder neuen Datenerhebung verfeinert das System mittels Machine Learning seine Prognosen und verbessert sich dadurch beständig. Der Begriff des Machine Learnings wird oft als Synonym für Künstliche Intelligenz benutzt. Tatsächlich steht das Machine Learning allerdings nur einen Teilbereich der Künstlichen Intelligenz dar. Andere Bereiche sind Mustererkennung, Robotik, Erkennung und Verarbeitung natürlicher Sprache sowie maschinelles Übersetzen.
Predictive Maintenance: Eine Schlüsseltechnologie der erfolgreichen Industrie 4.0
Um die Leistungsfähigkeit von Maschinen und Anlagen zu erhalten, ist die regelmäßige Wartung und Instandhaltung ein wesentlicher Faktor für die Gewährleistung eines reibungslosen Betriebsablaufs. Nur so stellen Unternehmer sicher, dass die Maschinen und Anlagen ihre Leistungsfähigkeit erhalten. Denn ungeplante Ausfälle kosten bares Geld und mindern die Effizienz des Produktionsprozesses. Wie reizvoll wäre es, wenn man die Wartungszyklen zielgenau planen und Maschinen effektiv warten könnte, bevor sie ausfallen? Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Wie lässt sich rechtzeitig erkennen, ob ein Bauteil einer Maschine bald den Dienst versagt? Die Antwort ist Predictive Maintenance. Predictive Maintenance, zu deutsch „vorausschauende Wartung“, ist eine Schlüsseltechnologie der Industrie 4.0. Denn durch die komplette Vernetzung von Maschinen und Anlagen mittels Sensoren wird es möglich, Daten zu erheben, die für den Produktionsprozess von Bedeutung sind. Dazu gehört beispielsweise auch, wann die Antriebskette eines Förderbandes nachgeschmiert werden muss oder ob der Antriebsmotor einer Maschine Gefahr läuft, aufgrund zu hoher Betriebstemperaturen zu überhitzen. Diese Daten lassen sich mit der KI analysieren und dann kann das System selbstständig präzise Entscheidungen fällen. Dazu gehört, ob die Leistung einer Maschine vorübergehend reduziert werden muss, oder die Meldung wann die Auswechslung eines Bauteils erfolgen sollte. Das Anwendungsfeld von Predictive Maintenance ist gigantisch und eröffnet eine Zahl an Möglichkeiten, von der Unternehmer früherer Generationen nur zu träumen wagten. Laut einer statistischen Erhebung der Staufen AG in Zusammenarbeit mit Statista nutzten im Jahr 2019 37 % der befragten Unternehmen Predictive Maintenance zur automatisierten Anzeige der Fälligkeit bevorstehender Wartungsarbeiten. 28 % der Unternehmen setzen die Technologie zur gezielten Qualitätskontrolle gefertigter Erzeugnisse und zum automatisierten Erkennen von Verschleiß in den technischen Anlagen ein. 25 % der befragten Unternehmen nutzen die Technologie auch zur Vermeidung von Fehlbedienungen. Anhand der folgenden drei Praxisbeispiele möchten wir Ihnen nun verdeutlichen, wie ein erfolgreicher Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Industrie 4.0 aussieht.
Wie Siemens und Deutsche Bahn Züge dank Predictive Maintenance ausfallsicherer machen
Lokomotiven und Hochgeschwindigkeitszüge sind täglich einer großen Anzahl von Belastungen ausgesetzt. Von wetterbedingten Belastungen wie Nässe oder Hitze bis zu physikalischen Belastungen wie zum Beispiel Verschleiß von Bauteilen durch die tägliche Abnutzung gibt es im Bahnbetrieb eine Vielzahl von Herausforderungen, die die Techniker der Deutschen Bahn AG täglich zu meistern haben. Während in Hochgeschwindigkeitszügen wie dem ICE vor allem Lager und Getriebe anfällig für Störungen sind, machen den Technikern in Regionalzügen vor allem die Türen zu schaffen. Predictive Maintenance trägt dazu bei, Zugausfälle zu verringern, da mögliche Störungen bereits im Vorfeld erkannt und eliminiert werden können. Gleichzeitig lassen sich betriebsbedingte Wartungen effizienter planen, da der Zug schon im Vorfeld an das Bahnbetriebswerk meldet, welche Bauteile ausgetauscht werden müssen. Aber die erhobenen Daten lassen nicht nur Rückschlüsse auf aktuell eintreffende Störungen zu. Aufgrund der Datenmenge aller erfassten Züge lassen sich mittels KI auch Wahrscheinlichkeiten berechnen, welche Aspekte an Bauteilen besonders störanfällig sind. So wird nicht nur die Prognose von möglichen Störungen stets präziser, sondern auch die Hersteller gewinnen interessante Erkenntnisse, die in technischen Optimierungen umgesetzt werden können. Herzstück aller modernen Züge ist die Remote-Data-Access-Box (RDA), die von Siemens entwickelt wurde. Sie erfasst sämtliche Daten, die während des Betriebs anfallen. Aber auch in weiteren Bereichen plant die Deutsche Bahn AG Wartungsintervalle mit KI. Etwa bei der Wartung von Weichen oder Signalanlagen. Auf der Basis erfasster Daten kann ziemlich genau bestimmt werden, wann eine Weiche ausfallen und eine technische Störung verursachen wird. Anhand des Beschleunigungsverhaltens von Zügen können zudem Hohlräume im Untergrund des Gleisbetts erkannt werden. Da schon das geringe Absacken von Schienen zu einem verschlechterten Lauf des Rades bei der Eisenbahn führt, sind diese Daten ein wichtiger Baustein zur rechtzeitigen Reparatur von Bahntrassen.
Wie BASF mit Predictive Maintenance die Chemie 4.0 verwirklicht
Die Sicherheit steht auch bei der Produktion von chemischen Produkten an erster Stelle. Unter dem Stichwort „Chemie 4.0“ setzt die BASF SE seit einigen Jahren auf KI, um mit Predictive Maintenance ihre Produktionsanlagen noch sicherer zu machen. Besonders kritische Anlagenteile wie Verdichter, Pumpen, Motoren oder Wärmetauscher werden mit Sensoren überwacht, die beständig Prozessdaten an einen Leitstand senden. Unter Einbezug historischer Prozessdaten lassen sich mit KI nun Vorhersagen zur Anlagensicherheit treffen. Die BASF baute somit ein Frühwarnsystem auf, um gerade den möglichen Ausfall kritischer Anlagen zu verhindern. Durch die Bestimmung des optimalen Zeitpunkts einer Instandhaltungsmaßnahme können ungeplante Reparaturen und Totalausfälle auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Für die Auswertung der Informationen nutzt die BASF das Asset Intelligence Network von SAP. Dabei handelt es sich um eine Cloud-Plattform, auf der alle Daten von Herstellern, Dienstleistern und Anlagenbetreibern zusammengeführt werden. Darüber hinaus nutzt die BASF zudem selbst entwickelte Apps, die es Technikern ermöglicht, Prozessdaten zu erfassen und auszuwerten. Auch die Einhaltung der strengen Regularien in der Chemieproduktion lässt sich mit den Lösungen der KI noch genauer überwachen.
Wie die Maschinenbauindustrie selbst Lösungen für Predictive Maintenance entwickelt und in ihren Maschinen und Anlagen erfolgreich einsetzt
Auch die Maschinenbauindustrie selbst hat das Thema Predictive Maintenance für sich entdeckt und entwickelt Lösungen für die Industrie 4.0. Der Engineering- und Konstruktionsspezialist Wichelhaus & Co. setzte in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut ein Testprojekt um, bei dem vielfältige und komplexe Maschinendaten erhoben wurden. Der Hersteller verbaute in seiner konstruierten Testanlage eine Reihe von Sensoren, die Schwingungen, Druckluft und Temperatur permanent überwachten. Diese Daten wurden dann an eine IoT-Connect-Box übermittelt, die an der Maschine platziert wurde. Diese Box bildete wiederum die Schnittstelle zur Cloud-Lösung, die sämtliche erhobenen Daten speicherte. Die Algorithmen einer entwickelten KI konnten nun die Daten interpretieren und die Maschine zuverlässig warten.
Vor und Nachteile der Industrie 4.0 auf einen Blick:
Die Vorteile:
Ausfallzeiten werden auf ein Minimum reduziert
Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten können präzise geplant werden
Die Produktivität und Leistungsfähigkeit von Produktionsanlagen können optimiert werden
Die Automatisierung wird durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz vorangetrieben
Die Nachteile:
Die umfassende Datenerhebung im Rahmen von Big Data benötigt eine datenschutzkonforme IT-Infrastruktur, die dem neusten Stand der Cyber Security entspricht (um Hackerangriffe und Industriespionage zu vermeiden)
Kurzfristige Kostensteigerungen entstehen besonders dann, wenn in die Jahre gekommene Anlagen technisch nachgerüstet werden müssen
Auch die Akquise von geeigneten Spezialisten ist eine Voraussetzung für den sicheren Betrieb einer Anlage nach Industrie 4.0